«Wir sind kein Discounter»

Derendinger: breiteres Sortiment

«Wir sind kein Discounter»

27. Februar 2025 agvs-upsa.ch – Eine gute Verfügbarkeit von Service-, Verschleiss- und Reparaturteilen ist das A und O für jede Garage. Durch elektrifizierte Antriebe wandelt sich aber auch hier das Sortiment. Wie schnell und ob auch «grüne» Ersatzteile ein Thema sind, verrät uns ein Experte von Derendinger. Jürg A. Stettler


Derendinger ist bestens vorbereitet auf die Trans­formation im Teilemarkt und legt weiterhin grössten Wert auf Service, Zuverläs­sigkeit und Qualität. Fotos: Derendinger
 






Marcel Salzmann, Head of Category Management Passenger Cars bei Derendinger.

Herr Salzmann, wie stark verändert sich das Angebot an Service- und Verschleissteilen bei Derendinger durch die zunehmende Elektrifizierung der Fahrzeuge?
Marcel Salzmann, Head of Category Management Passenger Cars bei Derendinger: Das Thema Elektroauto boomt ja nicht gerade. In Europa gingen die Verkäufe 2024 zurück. In der Schweiz sanken sie um rund 12,5 Prozent. Mit fast 203000 immatrikulierten BEV sind wir bei einer E-Auto-Quote von 4,2 Prozent des Fahrzeugbestands. Da ist es sicherlich zu früh, das Sortiment komplett darauf auszurichten. Zudem nutzen die BEV-Modelle wie ihre Verbrenner-Pendants die gleichen Scheibenwischer, Aufhängungsteile und mehr. Erst wenn es in Richtung Teile für DC-Wandler, E-Antriebsstrang oder Batterien geht, kommen die grossen Unterschiede. Und hier können wir bei Derendinger sicherlich zeitnahe alle Bedürfnisse abdecken. Trotz Verbrennerverbot ab 2035 werden wir in zehn Jahren noch mindestens drei, wenn nicht vier Millionen Verbrenner im Bestand haben.

Sie haben als autorisierter Grosshändler von Bosch nun deren gesamtes Sortiment im Angebot. War diese Integration fast die grössere Herausforderung?
Ja. Wir hatten zwar schon viele Teile im Sortiment, aber bauen unsere Bestände jetzt so stetig und mit Bedacht auf, wie es sich für die Schweiz gehört – damit wir für alle Kundinnen und Kunden das Richtige an Lager haben. Denn die Kundschaft ist von Derendinger gewohnt: Was gebraucht wird, ist schnell verfügbar. Das ist auch unser Ziel für Bosch-Teile. Dabei hilft die gute Zusammenarbeit mit Bosch. Wenn bei uns im Shop ein Teil als «verfügbar» angezeigt wird, dann ist es das auch! Da unterscheiden wir uns markant von Online-Anbietern aus Deutschland. Die brauchen – das teste ich selbst immer wieder – teils fünf Tage und mehr; egal, was auf der Homepage vermerkt war.

In welchen Bereichen der Service- und Ersatzteile sehen Sie aktuell grosse Umwälzungen?
Im Bereich des Thermomanagements und bei allen Themen rund um Nebenantriebe. Bei BEV oder Hybriden müssen diese anders zu ihrer Energie kommen. Beispielsweise wird die Wasserpumpe nicht mehr über den Motor angetrieben, sondern elektrisch oder Wärme kann nicht mehr von einem Verbrennungsmotor abgezweigt werden, sondern wird anhand einer Wärmepumpe gewonnen.

Immer mehr Hersteller setzen auf Remanufacturing. Wird das auch bei Service- und Ersatzteilen vermehrt zum Thema?
Natürlich, und wir bei Derendinger haben da eine lange Tradition: Bereits Firmengründer Jean Jacques Derendinger hat das Potenzial vor fast 100 Jahren erkannt und unter anderem mit Wiederaufbereitung von Brems- und Kupplungsmaterialien ein Unternehmen aufgebaut. Wir betreiben zudem immer noch eigene Werkstätten teilweise auch in der Schweiz, die auf Remanufacturing spezialisiert sind und beispielsweise Einspritzventile aufarbeiten.

Seit nunmehr zwei Jahren wird bei der MFK die Partikelzahl gemessen. Das sorgte anfangs für einige Unruhe und einen Run auf Partikelanzahlmessgeräte. Hat sich die Lage normalisiert?
Ja, wir haben alle Messgeräte und nötigen Teile an Lager. Wir haben aber festgestellt, dass es gar nicht immer der Partikelfilter sein muss, der höhere Messewerte verursacht. Das Problem kann auch in anderen Bereichen liegen. Wir bieten daher Schulungen an, um den Garagistinnen und Garagisten Hilfestellung zu bieten und aufzuzeigen, dass es nicht immer ein Filtertausch sein muss.

Wie wichtig ist inzwischen Nachhaltigkeit bei Ersatzteilen?
Das steht heute noch nicht im Fokus. Der Endkunde und die Garage müssen darin einen Nutzen sehen. Nur «grüner» zu sein, genügt als Argument nicht. Am ehesten genutzt werden die meist teureren nachhaltigeren Teile im Transportwesen, denn dort verdient man mit stehenden Fahrzeugen kein Geld. Können wir einen Mehrwert aufzeigen, weil beispielsweise Brembo-Beyond-Bremsbeläge bei leichten Nutzfahrzeugen auch länger halten und so andere Serviceintervalle möglich werden, dann ist ein Logistiker eher bereit, ein nachhaltiges Ersatzteil verbauen zu lassen. Nicht, weil es «grün» ist, sondern weil er vom Mehrwert profitiert.

Wie kann man dieser Skepsis gegenüber «grün» begegnen?
Indem wir aufzeigen, dass diese «grünen» Teile die gleichen Qualitätskriterien erfüllen müssen. Indem man Aufklärungsarbeit leistet und solchen Produkten eine Chance gibt. Denn auf einen grünen Scheibenwischer wartet da draussen – seien wir ehrlich – niemand. Der Mechaniker in der Werkstatt will in erster Linie ein Ersatzteil für die Reparatur. Erst, wenn das nachhaltigere Teil durch einen Mehrwert oder einen Zusatznutzen etwas bringt, wird er es in Betracht ziehen.

Zulieferer – auch bekannte Unternehmen – strichen zuletzt Tausende Jobs. Welche Auswirkungen hatte und hat dies für die Versorgung des Schweizer Aftermarkets?
Bei der Verfügbarkeit tangiert uns dies nicht. Wir sehen aber durchaus die Problematik. Alle, auch die Zulieferer, hatten sich auf einen Elektro-Boom eingestellt, der nun ausbleibt – und das sorgt für Überbestände. Aber der sogenannte Independent Aftermarket, also der freie Markt für Ersatzteile ist nicht davon betroffen. Was wir aber beobachten: Immer mehr chinesische Hersteller drängen auf den Markt.

Was heisst die Konkurrenz aus China für den hiesigen Aftermarket?
Dass man China im Auge behalten muss. Auch direkt in China zu bestellen, wird sicherlich dereinst zum Thema. Nur muss man sich dann bewusst sein, dass man als kleiner Schweizer Kunde dort keine Priorität geniesst, die Bestellung allenfalls auf die lange Bank geschoben wird und Ware nicht in drei, sondern plötzlich in sechs Monaten oder nur in geringerer Menge kommt. Das ist nicht die Art, wie wir bei Derendinger arbeiten wollen. Wir sind kein Discounter! Wir benötigen den höheren Preis auch, um den Service, die Zuverlässigkeit und die Qualität sicherzustellen. Das erwarten unsere Businesspartner und die Garagen von uns und dürfen es auch in Zukunft erwarten.
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