Zu Recht skeptische Garagisten?

43. Atelier de la Concurrence

Zu Recht skeptische Garagisten?

2. Juli 2024 agvs-upsa.ch – Echte oder unechte Agentur: Für Kundenzufriedenheit muss das Vertriebssystem schlicht funktionieren. Klar zudem: Es muss eine faire Lösung für alle sein – auch für Garagisten. Doch der Glaube daran ist aufgrund von Auflagen und Erfahrungen nicht sehr ausgeprägt. Jürg A. Stettler


Tahir Pardhan, Leiter Recht & Politik AGVS, diskutierte im Panel mit Andrea Graber, Weko-Vizedirektorin, und ­Stephan Jäggi vom Verband Freier Autohandel Schweiz (v.l.n.r.). Fotos: AGVS-Medien

Philippe Arnet, AGVS-Sektionspräsident Solothurn, konnte sich über rund 80 Teilnehmende freuen, die am 43. Atelier de la Concurrence in Olten SO mehr zur neuen KFZ-Verordnung und zum Agenturmodell erfahren wollten. «Dieses Thema bewegt unsere Mitglieder, vor allem die Markenhändler», erklärte er. Roland Schell, CEO Mercedes-Benz Schweiz AG, legte anfangs kurz dar, welche Herausforderungen (CO2-Neutralität, möglicher Handelskrieg mit China, Ladeinfrastruktur, etc.) auf die gesamte Autoindustrie zukommen. Er machte klar: «Die Kunden lassen sich mehr Zeit bis zum Autokauf. Und sie bestimmen auch das Tempo der Antriebstransformation, die uns wohl noch in den nächsten 10 bis 20 Jahren begleiten wird.» Er mahnte, diese Transformation nicht über sich ergehen zu lassen, sondern sie besser aktiv mitzugestalten.

Relative Marktmacht im Einzelnen ­abklären
Andrea Graber Cardinaux, Weko-Vizedirektorin, verriet den Garagistinnen und Garagisten, dass sich von der einstigen Bekanntmachung zur seit 2024 gültigen KFZ-Verordnung kaum etwas geändert habe. «Nur der Zugang zu technischen Infos beinhaltet nun auch fahrzeuggenerierte Daten.» Eine Anpassung, die aus der EU übernommen worden sei. Zudem seien die Erläuterungen kürzer geworden, da sie keine Ausführungen mehr zum Selektivvertriebssystem umfassten. «Die sind ja in der Vertikalbekanntmachung festgehalten und geregelt», ergänzte sie.

artikel_2.jpgWeko-Vizedirektorin Andrea Graber Cardinaux erläuterte wichtige Details vor einem aufmerksamen Publikum.

Entscheidend für ein Weko-Einschreiten sei die relative Marktmacht, was sich übrigens auf Sales und Aftersales beziehen könne, aber eben immer auf eine Einzelfallabklärung hinauslaufe. «Es gibt dazu auch ein Merkblatt und Meldeformular auf der Weko-Website.» Aktuell laufe eine Abklärung, weil ein Händler kurz nach erheblichen Investitionen die Kündigung erhalten und so gar nicht die Chance gehabt habe, diese Investitionen je zu amortisieren. «Wir sind gespannt auf den Weko-Entscheid dazu und schauen genau hin», erklärte Tahir Pardhan, Leiter Recht & Politik des AGVS.

Und ergänzte, dass man sich beim AGVS am fehlenden Anspruch auf den Aftersalesvertrag in der neuen Verordnung respektive dazugehörigen Erläuterungen störe. «Nach über 20 Jahren gelebter Praxis haben wir mit der Motion Pfister erwartet, dass dies nun verbindlich wird. Jetzt wurde dies in den Erläuterungen weggestrichen.» Zwar bleibe der Weg über Artikel 7 und damit Missbrauch der relativen Marktmacht, hier seien die Hürden für den Garagisten aber klar höher, um zu seinem Recht zu kommen, daher werde der AGVS hier aktiv werden.

artikel_3.jpgOliver Friedmann von Swisstail erläuterte die aktuell grössten Herausforderungen für Garagisten.

Sehr angeregte Diskussionen
Angeregt diskutiert wurde danach auch, wie man mit der Herstellergarantie umgehen solle, die für E-Autos immer länger werde und weil eine Antriebs-Ersatzbatterie sehr teuer und nur über offizielle Bezugsquellen zu haben sei, sei dies in gewissem Masse ebenfalls wettbewerbsverzerrend. Weitere Diskussionen entstanden, wann denn nun ein Auto genau den selektiven Vertriebskanal verlasse. Da gewisse Marken vom Händler nach einer bestimmten Zeit nach dem Import eine Zwangsabmeldung verlangten.

Klar wurde bei den ganzen Wortmeldungen, dass es – ob echte oder unechte Agentur – am Schluss nur funktioniert, wenn Importeure und Händler auf Augenhöhe miteinander (ver)handeln können. Der Garagist darf nicht ausgebeutet werden, der Intrabrand-Wettbewerb muss geschützt werden und auch Parallelimporte müssen möglich sein. «Wir sind stolze Unternehmer und wollen das Ganze mitgestalten. Heute haben wir Importeure und Hersteller, die Vorgaben machen, die uns fordern», brachte es Philippe Arnet auf den Punkt.

artikel_arnet.jpgPhilippe Arnet, AGVS-Sektionspräsident Solothurn.

«Der Schweizer Käufer hat andere Erwartungen an den Handel – für ihn ist der Garagist des Vertrauens noch von höherer Bedeutung.» Er glaube nicht, dass das Agenturmodell dies gross ändern werde. Hersteller, Importeur und Händler wären eigentlich ein gutes Team und könnten effizient zusammenarbeiten, «aber im Moment sieht es so aus, als ob man einfach weiter Auflagen macht, bis einem der Partner der Kragen platzt…»

Garagisten aus der Westschweiz sollten sich schon mal den 2. September vormerken, dann findet in Kooperation mit der AGVS-Sektion Waadt in Yverdon-les-Bains nämlich das nächste Atelier de la Concurrence statt.
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