Überzeit- oder Überstundenarbeit?

Rechtsratgeber

Überzeit- oder Überstundenarbeit?

16. Juli 2024 agvs-upsa.ch – Im Alltag werden diese beiden Begriffe oft synonym verwendet, obwohl sie nicht das Gleiche meinen. Im AGVS-Rechtratgeber klären wir Sie über die Unterschiede auf und machen Sie zum Profi in Sachen Arbeitszeit! Noemi Wyss und Tahir Pardhan
 






Noemi Wyss, juristische Mitarbeiterin Rechtsdienst.
 






Tahir Pardhan, Leiter Rechtsdienst & Politik.

Fällt in einem Betrieb Mehrarbeit an, sind die Arbeitnehmenden grundsätzlich dazu angehalten, die notwendigen zusätzlichen Arbeitsstunden zu leisten, sofern sie ihnen nach Treu und Glauben zugemutet werden können. Die Anordnung dazu muss nicht immer ausdrücklich erfolgen. Der Arbeitnehmende kann sie auch von sich aus leisten, sofern die Mehrarbeit objektiv notwendig war. Hat der Arbeitgeber davon aber keine Kenntnis, ist ihm dies unverzüglich zu melden. Wie diese Mehrarbeit kompensiert werden muss, hängt davon ab, ob es sich um Überzeit oder Überstunden handelt – obwohl die Begriffe oft synonym verwendet werden, müssen sie strikt unterschieden werden.

Überzeit liegt vor, sobald die gesetzlich vorgeschriebene Maximalarbeitszeit überschritten wird, welche für alle Angestellten einer Werkstatt nach Art. 9 Abs. 1 lit. b des Arbeitsgesetzes (ArG) bei 50 Stunden in der Woche festgelegt ist. Bei Funktionen ohne technische und handwerkliche Arbeit (beispielsweise Büro, Verkauf und Kundenservice) beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit 45 Stunden in der Woche. Überzeitarbeit ist zwingend mit einem Lohnzuschlag von 25 Prozent zu entschädigen, oder, wenn der oder die einzelne Arbeitnehmende damit einverstanden ist, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes durch Freizeit in gleichem Umfang zu kompensieren (Art. 13 ArG). Dieser «angemessene Zeitraum» beträgt nach Art. 25 der Verordnung 1 zum ArG 14 Wochen. In gegenseitigem Einvernehmen kann diese Frist auf maximal zwölf Monate erstreckt werden. Bei einer Auszahlung der Überzeit ist beim Lohnzuschlag von 25 Prozent der Lohn auf einen Stundenansatz herunterzubrechen. Bei der Anstellung im Monatslohn bringt die Teilung des Jahreslohnes durch die Jahressollstunden eine sehr gute Näherung (Achtung: der 13. Monatslohn sowie auch andere Vergütungen, beispielsweise Provisionen, sind Bestandteil des Jahreslohns, sofern sie regelmässig entrichtet werden). Wichtig anzumerken ist zudem, dass Angestellte mit Kaderfunktion nicht unter die Regeln des ArG fallen.



Anders als Überzeit sind Überstunden hingegen die Differenz zwischen der geleisteten und der normalen vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, die sich allerdings noch innerhalb der oben erwähnten Maximalarbeitszeit nach ArG (45 oder 50 Stunden/Woche) bewegt. Die Regelungen dazu finden sich in Art. 321c OR.

Auch Überstunden können durch eine Lohnzahlung ausgeglichen werden, die sich gesetzlich (Art. 321c Abs. 3 OR) ebenfalls mit 25 Prozent Zuschlag bemisst, wenn vertraglich nichts anderes vereinbart wurde. Im Unterschied zur Überzeit kann auf den Lohnzuschlag schriftlich (zwingend schriftlich: Art. 321c Abs. 3 OR) durch den Arbeitnehmer verzichtet werden. Dieser Verzicht auf den Zuschlag hat jedoch im Voraus zu erfolgen und entsprechende Regelungen werden üblicherweise im Arbeitsvertrag oder im Personalreglement festgehalten. Aber auch Überstunden können bei gegenseitigem Einverständnis durch Freizeit mindestens gleicher Dauer kompensiert werden. Hier besteht ebenfalls die Möglichkeit zu vereinbaren, dass die Kompensation nur stundenweise erfolgen darf statt tagesweise.

Speziell gestaltet sich die Situation bei Gleitzeitarbeit. Dort zeichnet sich eine Mehrarbeit dadurch aus, dass sie vom Arbeitnehmer freiwillig, im Rahmen seines eigenen Zeitmanagements, verrichtet wird. Arbeitnehmende müssen ihren Arbeitseinsatz folglich so einrichten, dass er am Ende der Abrechnungsperiode innerhalb der zulässigen Bandbreite liegt. Andernfalls können die Stunden entschädigungslos verfallen oder wenn zu wenige Stunden geleistet wurden, muss mit einem Lohnabzug gerechnet werden. So sind Regelungen zulässig, die bestimmen, dass beispielsweise am Ende eines Jahres der Gleitzeitüberhang verfällt, der eine gewisse Grenze überschreitet. Anders verhält es sich nur, wenn die Mehrarbeit auf Anordnung oder aufgrund betrieblicher Notwendigkeit geleistet wurde; dann handelt es sich nicht mehr um eine Gleitzeit-, sondern um Überstundenarbeit.

Weitere Infos unter: agvs-upsa.ch/de/AGVS-Rechtsratgeber
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