Reifendruck-Kontrollsysteme
Damit unterwegs nicht die Luft ausgeht
25. November 2024 agvs-upsa.ch – Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) sind im Personenwagen-Bereich schon seit längerer Zeit Pflicht. Seit diesem Sommer müssen aber auch LKW, Busse, Wohnmobile und sogar die Auflieger damit bestückt sein. Was es hier zu beachten gilt, wollten die AGVS-Medien von Nutzfahrzeug-Profi Kevin Birrer wissen.
Jürg A. Stettler
Goodyear TPMS ist eine der vorausschauenden Lösungen zur Reifendruck- und Temperaturkontrolle. Foto: Goodyear
Schon seit Juli 2022 müssen auch neu typgenehmigte Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht über ein sogenanntes RDKS verfügen. Seit Juli 2024 gilt diese Bestimmung in Europa auch für alle neu zugelassenen Fahrzeuge der Klassen N1-3 (LKW, Lieferwagen), M2+3 (Busse, Wohnmobile) und O3+4 (Sattelanhänger und Anhänger). Bei den Personenwagen wurden und werden für mehr Sicherheit sowie tieferen Spritverbrauch primär zwei Varianten der automatischen Luftdrucküberwachung eingesetzt: Entweder direkte Sensoren im Rad oder eine Auswertung des Abrollverhaltens der Reifen. Vor allem die zweite, indirekte Variante, die schon bei Autos langsamer und nicht so genau ist, stellt für Nutzfahrzeuge, die mit den unterschiedlichsten Ladungen unterwegs sind, keine wirkliche Option dar.
Daher kommen hier direkt messende RDKS-Systeme oder TPMS fürs Englisch «Tire pressure monitoring systems» zum Zuge. Wie bei Autos müssen die Sensoren auch hier bei jedem einzelnen Rad direkten Kontakt zur Luft im Reifen haben, so dass sie die relevanten physikalischen Grössen in Echtzeit bestimmen und im Idealfall telemetrisch ans Steuergerät im Fahrzeug übertragen können. Bei den Nutzfahrzeugen bestehen die RDKS-Systeme meist aus Sensoren, die mit Gurten auf der Felge montiert werden. Diese Sensoren messen dann den Reifendruck und die -temperatur. Stellt das System einen zu tiefen Druck oder eine zu hohe Temperatur fest, wird eine Warnmeldung geschickt.
Je nach Fahrzeugmarke oder auch Fahrzeugalter kann diese Info schon übers Display im Armaturenbrett der Zugmaschine dargestellt, durch die Telematik abgerufen werden oder geschieht via Smartphone-App. Längst ist noch nicht jede Zugmaschine oder jeder Auflieger mit einem RDKS-System versehen. Das heisst, bei den Nutzfahrzeugprofis unter den AGVS-Garagisten landen bald mehr Nutzfahrzeuge zum Nachrüs ten oder mittelfristig eben auch zur Wartung/Reparatur von RDKS Systemen. Dabei gilt es das Eine oder Andere zu beachten, wie Kevin Birrer, Geschäftsführer der Birrer Nutzfahrzeuge AG in Sisseln AG und Mitglied der Nutzfahrzeug-Kommission des AGVS, weiss.
Herr Birrer, muss man wegen der RDKS-Pflicht nun beim Reifenwechseln etwas anders machen oder beachten?
Kevin Birrer: Ja, es ist wichtig, dass die Sensoren wieder am gleichen Ort montiert werden. Falls neue Sensoren verbaut werden, müssen diese ausserdem neu angelernt werden. Einen konventionellen Radwechsel von Winter- auf Sommerräder gibt es bei vielen Transport unternehmen ja nicht. Das heisst, es wird erst ein Reifen gewechselt, wenn das Profil nicht mehr ausreichend ist. Somit bleibt der Sensor in der Felge und das Rad kann ohne Programmierung wieder am gleichen Ort montiert werden.
Kauft man nun einen neuen Anhänger, nutzt aber eine alte Zugmaschine, muss beziehungsweise kann man den LKW einfach mit einem RDKS nachrüsten?
Wenn Sie einen neuen Auflieger haben und der LKW noch nicht über RDKS verfügt, so kann der Reifendruck des Aufliegers am LKW nicht angezeigt werden. Die neueste Generation vom ZF-Wabco EBS im Zusammenhang mit RDKS am Auflieger lässt bei einer Druckabweichung jedoch immerhin die EBS-Kontrolllampe im Motorwagen blinken. So kann trotz fehlender Druckanzeige über einen mangelhaften Reifendruck informiert werden. Ein vollständiges RDKS bei einem älteren Euro-6-Fahrzeug nachzurüsten, wäre vermutlich bei allen LKW-Marken möglich, jedoch ist dies sehr kostenintensiv.
Kevin Birrer, Geschäftsführer der Birrer Nutzfahrzeuge AG in Sisseln AG und Mitglied der Nutzfahrzeug-Kommission des AGVS. Foto: Birrer Nutzfahrzeuge AG
Was heisst das genau?
Wir sprechen hier sicherlich von mehreren tausend Franken – nur schon durch die Sensoren für jedes Rad, Empfänger, Steuergeräte und die Software geht das Ganze rasch ins Geld.
Braucht es für die Werkstatt spezielle oder neue Tools zum Auslesen und Anlernen der RDKS-Systeme?
Ja, es braucht einen TPMS-Manager, der die ID vom Sensor lesen kann. Diese Sensor-ID muss anschliessend mit dem üblichen Diagnosegerät im Steuergerät programmiert werden.
Muss der Garagist beim Auslesen allenfalls etwas Besonderes beachten?
Nein, beim Auslesen nicht, aber sehr wohl beim Anlernen der Systeme und der neuen Sensoren.
Stellen Zwillingsbereifungen für die Genauigkeit der RDKS Sensoren keine Herausforderung dar?
Auf die Genauigkeit der Messwerte des Sensors hat die Zwillingsbereifung keinen Einfluss. Bei der Zuordnung der Sensoren sieht das jedoch anders aus! Hier ist ein genaues Arbeiten ganz wichtig. Denn ansonsten könnte es sein, dass durch die Nähe der beiden Sensoren, der falsche Sensor mit dem RDKS-Manager erkannt wird und so die Zuordnung des Reifens falsch erfolgen würde. Aber nicht nur das Vertauschen der Sensoren ist bei der Zuordnung möglich, sondern auch das Zuordnen eines RDKS-Sensors gleich für beide Räder ist durchaus möglich.
Bei den PW-Systemen sind die Batterien teils eingegossen und müssen nach fünf bis sechs Jahren gar als Sondermüll entsorgt werden; wie sieht dies bei den LKWs, die ja klar höhere Laufleistungen haben, aus?
Die erwartete Akkulaufzeit liegt trotz höherer Laufleistungen ebenfalls bei fünf bis sieben Jahren.
Haben Sie noch grundsätzlich einen heissen Tipp bezüglich RDKS für Ihre Garagisten-Kollegen?
Wie bei den meisten neuen Systemen ist es so, dass man mit der zunehmenden Praxis-Erfahrung noch auf den einen oder anderen Stolperstein stossen wird. Ein Problem ist mir bereits bekannt: Die Zuordnung der Sensoren kann in Garagenhallen teilweise schwierig sein, wenn eine Kransteuerung auf der gleichen Frequenz sendet.
Jürg A. Stettler
Goodyear TPMS ist eine der vorausschauenden Lösungen zur Reifendruck- und Temperaturkontrolle. Foto: Goodyear
Schon seit Juli 2022 müssen auch neu typgenehmigte Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht über ein sogenanntes RDKS verfügen. Seit Juli 2024 gilt diese Bestimmung in Europa auch für alle neu zugelassenen Fahrzeuge der Klassen N1-3 (LKW, Lieferwagen), M2+3 (Busse, Wohnmobile) und O3+4 (Sattelanhänger und Anhänger). Bei den Personenwagen wurden und werden für mehr Sicherheit sowie tieferen Spritverbrauch primär zwei Varianten der automatischen Luftdrucküberwachung eingesetzt: Entweder direkte Sensoren im Rad oder eine Auswertung des Abrollverhaltens der Reifen. Vor allem die zweite, indirekte Variante, die schon bei Autos langsamer und nicht so genau ist, stellt für Nutzfahrzeuge, die mit den unterschiedlichsten Ladungen unterwegs sind, keine wirkliche Option dar.
Daher kommen hier direkt messende RDKS-Systeme oder TPMS fürs Englisch «Tire pressure monitoring systems» zum Zuge. Wie bei Autos müssen die Sensoren auch hier bei jedem einzelnen Rad direkten Kontakt zur Luft im Reifen haben, so dass sie die relevanten physikalischen Grössen in Echtzeit bestimmen und im Idealfall telemetrisch ans Steuergerät im Fahrzeug übertragen können. Bei den Nutzfahrzeugen bestehen die RDKS-Systeme meist aus Sensoren, die mit Gurten auf der Felge montiert werden. Diese Sensoren messen dann den Reifendruck und die -temperatur. Stellt das System einen zu tiefen Druck oder eine zu hohe Temperatur fest, wird eine Warnmeldung geschickt.
Je nach Fahrzeugmarke oder auch Fahrzeugalter kann diese Info schon übers Display im Armaturenbrett der Zugmaschine dargestellt, durch die Telematik abgerufen werden oder geschieht via Smartphone-App. Längst ist noch nicht jede Zugmaschine oder jeder Auflieger mit einem RDKS-System versehen. Das heisst, bei den Nutzfahrzeugprofis unter den AGVS-Garagisten landen bald mehr Nutzfahrzeuge zum Nachrüs ten oder mittelfristig eben auch zur Wartung/Reparatur von RDKS Systemen. Dabei gilt es das Eine oder Andere zu beachten, wie Kevin Birrer, Geschäftsführer der Birrer Nutzfahrzeuge AG in Sisseln AG und Mitglied der Nutzfahrzeug-Kommission des AGVS, weiss.
Herr Birrer, muss man wegen der RDKS-Pflicht nun beim Reifenwechseln etwas anders machen oder beachten?
Kevin Birrer: Ja, es ist wichtig, dass die Sensoren wieder am gleichen Ort montiert werden. Falls neue Sensoren verbaut werden, müssen diese ausserdem neu angelernt werden. Einen konventionellen Radwechsel von Winter- auf Sommerräder gibt es bei vielen Transport unternehmen ja nicht. Das heisst, es wird erst ein Reifen gewechselt, wenn das Profil nicht mehr ausreichend ist. Somit bleibt der Sensor in der Felge und das Rad kann ohne Programmierung wieder am gleichen Ort montiert werden.
Kauft man nun einen neuen Anhänger, nutzt aber eine alte Zugmaschine, muss beziehungsweise kann man den LKW einfach mit einem RDKS nachrüsten?
Wenn Sie einen neuen Auflieger haben und der LKW noch nicht über RDKS verfügt, so kann der Reifendruck des Aufliegers am LKW nicht angezeigt werden. Die neueste Generation vom ZF-Wabco EBS im Zusammenhang mit RDKS am Auflieger lässt bei einer Druckabweichung jedoch immerhin die EBS-Kontrolllampe im Motorwagen blinken. So kann trotz fehlender Druckanzeige über einen mangelhaften Reifendruck informiert werden. Ein vollständiges RDKS bei einem älteren Euro-6-Fahrzeug nachzurüsten, wäre vermutlich bei allen LKW-Marken möglich, jedoch ist dies sehr kostenintensiv.
Kevin Birrer, Geschäftsführer der Birrer Nutzfahrzeuge AG in Sisseln AG und Mitglied der Nutzfahrzeug-Kommission des AGVS. Foto: Birrer Nutzfahrzeuge AG
Was heisst das genau?
Wir sprechen hier sicherlich von mehreren tausend Franken – nur schon durch die Sensoren für jedes Rad, Empfänger, Steuergeräte und die Software geht das Ganze rasch ins Geld.
Braucht es für die Werkstatt spezielle oder neue Tools zum Auslesen und Anlernen der RDKS-Systeme?
Ja, es braucht einen TPMS-Manager, der die ID vom Sensor lesen kann. Diese Sensor-ID muss anschliessend mit dem üblichen Diagnosegerät im Steuergerät programmiert werden.
Muss der Garagist beim Auslesen allenfalls etwas Besonderes beachten?
Nein, beim Auslesen nicht, aber sehr wohl beim Anlernen der Systeme und der neuen Sensoren.
Stellen Zwillingsbereifungen für die Genauigkeit der RDKS Sensoren keine Herausforderung dar?
Auf die Genauigkeit der Messwerte des Sensors hat die Zwillingsbereifung keinen Einfluss. Bei der Zuordnung der Sensoren sieht das jedoch anders aus! Hier ist ein genaues Arbeiten ganz wichtig. Denn ansonsten könnte es sein, dass durch die Nähe der beiden Sensoren, der falsche Sensor mit dem RDKS-Manager erkannt wird und so die Zuordnung des Reifens falsch erfolgen würde. Aber nicht nur das Vertauschen der Sensoren ist bei der Zuordnung möglich, sondern auch das Zuordnen eines RDKS-Sensors gleich für beide Räder ist durchaus möglich.
Bei den PW-Systemen sind die Batterien teils eingegossen und müssen nach fünf bis sechs Jahren gar als Sondermüll entsorgt werden; wie sieht dies bei den LKWs, die ja klar höhere Laufleistungen haben, aus?
Die erwartete Akkulaufzeit liegt trotz höherer Laufleistungen ebenfalls bei fünf bis sieben Jahren.
Haben Sie noch grundsätzlich einen heissen Tipp bezüglich RDKS für Ihre Garagisten-Kollegen?
Wie bei den meisten neuen Systemen ist es so, dass man mit der zunehmenden Praxis-Erfahrung noch auf den einen oder anderen Stolperstein stossen wird. Ein Problem ist mir bereits bekannt: Die Zuordnung der Sensoren kann in Garagenhallen teilweise schwierig sein, wenn eine Kransteuerung auf der gleichen Frequenz sendet.
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